Historischer Hintergrund

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es eine breite Bewegung zur Erweiterung und Entwicklung von Rechtshilfemodellen, insbesondere in den großen industrialisierten Demokratien des Westens, die nach dem Zweiten Weltkrieg Verfassungsreformen einführten und den Wohlfahrtsstaat übernahmen. Im Laufe der 70er Jahre wurden in verschiedenen Nationen und Kontinenten bedeutende theoretische und praktische Fortschritte in der Rechtshilfe für Bedürftige und Notleidende erreicht. Zu dieser Zeit wuchs auch das Bewusstsein, dass die Mittelschicht häufig vom Rechtssystem ausgeschlossen und nicht-traditionelle Formen des Rechtsstreits unberücksichtigt gelassen wurden.

1975 veröffentlichten Mauro Cappelletti, James Gordley und Earl Johnson Jr. eine bemerkenswerte Forschungsarbeit, die ein internationales Phänomen dokumentieren und erklären sollte: eine aufkommende Bewegung, das Justizsystem für alle zugänglich zu machen, unabhängig von den finanziellen Bedingungen. Die Zusammenarbeit der drei Autoren führte zur Veröffentlichung des Buches "Toward Equal Justice: A Comparative Study of Legal Aid in Modern Societies" (1975), das als epistemologischer Meilenstein in der vergleichenden Untersuchung von Rechtshilfemodellen angesehen wird.

Mauro Cappelletti (1927–2004) | Quelle: Europäisches Hochschulinstitut

In Anbetracht der weltweit zügigen Entwicklung der Rechtshilfesysteme und des gewachsenen Interesses an der Thematik des Zugangs zur Justiz hat Prof. Mauro Cappelletti in Zusammenarbeit mit Prof. Bryant Garth und Prof. Earl Johnson die bisher umfangreichste Studie über den Zugang zur Justiz vorangetrieben.

Das Florence Access-to-Justice Project brachte ein großes multidisziplinäres Team von Juristen, Soziologen, Anthropologen, Ökonomen und politischen Entscheidungsträgern aus fast dreißig verschiedenen Ländern zusammen. Das Endergebnis dieser vergleichenden Forschung wurde in einem fünfbändigen Werk mit dem Titel "Access to Justice" (1978-81) zusammengefasst.

Bryant Garth (rechts) und Kim Economides (links) | Florenz, 1977

Seit Veröffentlichung des Endergebnisses des Florence Access-to-Justice Project sind ca. vierzig Jahre vergangen. Viele Fortschritte (aber auch einige Rückschritte) konnten auf dem Gebiet des Zugangs zur Justiz beobachtet werden. Dieser umfangreiche Entwicklungsprozess ist jedoch noch nicht ausführlich untersucht und verstanden worden, was es schwierig macht, vielversprechende Lösungen zu finden, die Diskussionen anregen und zu zukünftigen Reformen beitragen können.

Interessanterweise scheint die Welt heute einen weiteren Zyklus von Ausweitung und Reduzierung von Rechtshilfemodellen zu durchlaufen. Die gegenwärtige Bewegung kommt jedoch nicht nur aus Industrieländern. In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern sind Erfahrungen und innovative Perspektiven zu erkennen, die zu neuen Wellen – und sogar Gegenwellen – in der weltweiten Bewegung des Zugangs zur Justiz führen. Die Philosophien, Modelle und Techniken, die sich heute in vielen Ländern entwickeln, sind äußerst vielfältig und manchmal widersprüchlich; dennoch beginnen sich gemeinsame Themen herauszukristallisieren und neue Trends sind am Horizont zu erkennen.

Das Projekt Global Access to Justice zielt darauf ab, diese sich abzeichnenden Trends mittels einer neuen globalen Forschung zu identifizieren, zu erfassen und zu analysieren. Unsere Forschung ist aktuell und vielfältig und verfolgt einen umfassenden theoretischen und geographischen Ansatz, um die vielseitige globale Bewegung für den Zugang zur Justiz in Afrika, Asien, dem Nahen Osten, Lateinamerika, Nordamerika, Europa und Ozeanien zu erfassen und zu untersuchen.

Earl Johnson Jr. | Erinnerungen an das Florence Access-to-Justice Project

Bryant Garth | Erinnerungen an das Florence Access-to-Justice Project